Roland M. Horn:
Der „Mothman“ ist eine Gestalt, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Dieses gigantische geflügelte Wesen, dessen Augen oft als glühend rot bezeichnet werden, spukte in den Jahren 1966 und 1967 in Point Pleasant, West-Virginia.
Es war der 15. November 1966, als
zwei junge Paare aus diesem Ort, Roger Scarberry und seine Frau, sowie Steve
Malette und seine bessere Hälfe mit dem Auto unterwegs waren. Sie hielten
Ausschau nach Freunden, aber niemand von ihnen schien in jener Nacht unterwegs
zu sein. Der 18jährige Roger saß am Steuer. Ziellos fuhren sie durch die Gegend
und kehrten schließlich zu einem alten Generatoren-Werk zurück. Sie befanden
sich nun nahe am unverschlossenen Tor. Als sie längs am Gelände entlangfuhren,
schnappte Linda Scarberry plötzlich nach Luft. Sie alle blickten in die
Dunkelheit und sahen zwei hellrote ringförmige Objekte. Sie hatten einen
Durchmesser von etwa fünf Zentimetern, die etwa 15 Zentimeter auseinander lagen.
Roger trat auf die Bremsen. „Was ist los?“ fragte Mary Malette, die auf dem
Rücksitz saß.
Die Lichter bewegten sich von dem
Gebäude weg, und nun konnte man ein riesiges „Tier“ erkennen, das wie ein Mann
geformt, aber größer - etwa 2.10 Meter - war, wie Roger später aussagte. Das
Wesen hatte große Flügel, die hinten gefaltet waren. Die Augen des Wesens
erinnerten an Autoscheinwerfer. Roger beschrieb sie als „hypnotisch“. Für die
Dauer von etwa einer Minute konnte er nur in diese glühenden Augen starren.
Roger konnte seine Augen nicht von ihnen abwenden. Das Wesen hatte eine graue
Farbe und lief auf kräftigen menschenähnlichen Beinen. Es bewegte sich schnell
und schob sich in Richtung des offenen Generatoren-Werkes, wo es die Tür aus den
Angeln hob. „Laßt uns von hier verschwinden“, schrie Steve, und nun kam auch
Roger endlich wieder zur Besinnung und trat aufs Gaspedal, schoss durch die Tore
und fuhr so schnell er konnte, davon. Plötzlich sahen sie ein ähnliches Wesen,
das auf einem kleinen Hügel neben der Straße stand. Als sie eiligst an ihm
vorbeigefahren waren, spreizte es seine Flügel, hob ab und verschwand in der
Luft. Es schien den Vieren zu folgen, wie das Paar auf dem Rücksitz entsetzt
feststellte. Roger wechselte auf zwei Reifen die Straße - versuchte verzweifelt
dem Ungetüm zu entkommen. Er fuhr durchweg 170 Stundenkilometer, und der „Vogel“
befand sich rechts über ihnen. Es gab keinen Flügelschlag. Frau Malette hörte
ein Geräusch, das wie das Quieken einer Maus klang. Bis zur Stadtgrenze folgte
das Wesen den beiden Paaren. Dort entdeckten sie am Straßenrand einen großen
toten Hund.
Unverzüglich eilten die vier zum Sheriff, dem sie ihre Geschichte erzählten. Deputy Millard Halstead sagte später, dass er die vier jungen Leute schon lange kannte und sie tatsächlich sehr erschrocken waren. Er nahm sie sehr ernst. Der Deputy folgte nun Rogers Wagen zurück zum Gebiet, in dem die Vier ihre merkwürdige Begegnung hatten. Als sie die Stadtgrenze verließen, fiel ihnen auf, dass der tote Hund verschwunden war. Wieder an der Fabrik angelangt, fand sich keine Spur mehr von dem merkwürdigen Wesen. Halstead stellte den Polizeifunk ein, und ein sehr lautes ohrenbetäubendes und entstellt klingendes Geräusch drang aus den Sprechern, die die Stimme der Polizei-Nachrichten aus Point Pleasant übertönte. Es war ein lautes Geräusch, das wie eine Aufnahme klang, die mit hoher Geschwindigkeit abgespielt wurde. Schnell schaltete Halstead sein Auto aus. Verblüfft sah der erfahrene Polizist nach hinten, sagte jedoch nichts. Aber er war davon überzeugt, dass hier etwas Merkwürdiges vor sich ging.
Am nächsten Morgen berief der
Sheriff George Johnson eine Pressekonferenz ein. Lokale Reporter interviewten
die Zeugen. Mary Hyre, eine örtliche Zeitungsherausgeberin, telegrafierte die
Story an die AP, und an jenem Abend war der große „Vogel“ überall im Ohio-Tal
die Hauptschlagzeile. Die Kreatur bekam nun auch einen Namen:
Mothman.
Am 16. November 1966 bewegte sich
ein rotes Licht am Himmel in Richtung TNT-Gebiet, jenem stillgelegten
Militärdistrikt, in der die Scarberrys ihre rätselhafte Begegnung hatten. Eine
Menge Leute beobachteten es. Raymond Wamsley und seine Frau sowie Frau Marvella
Bennett und ihre Tochter Teena, ein Säugling, beobachteten und rätselten. Sie
waren sich sicher, dass es sich nicht um ein Flugzeug handelte. Aber was es war,
konnten sie sich nicht erklären.
Interessanterweise waren drei
vermutlich die einzigen in der Menschenmenge, die nicht auf „Mothman-Jagd“
waren. Sie wollten eigentlich nur die die Familie des Ralph Thomas besuchen, die
in einem Bungalow in der Nähe wohnte und waren auf dem Weg dorthin. Herr Thomas
war der Superintendent der Trojan-U.S.-Operationen in dieser Gegend. Seine Frau
Virginia war eine schmächtige Frau von der gesagt wurde, dass sie den zweiten
Blick hatte. Sie hatte mehrere Unfälle und lokale Ereignisse über Jahre hinweg
exakt vorausgesagt. Frau Thomas war sorgsam darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit
zu erwecken, und nur ihre Freunde wussten von ihrer bemerkenswerten Fähigkeit.
Sie war tief religiös und ging häufig zur Kirche. Die Wamsleys fanden nur drei
der Thomas-Kinder - Rickie, Conny und Vicky - zu Hause vor. Nachdem sie einige
Worte mit den Jugendlichen gewechselt hatten, gingen sie zurück zu ihrem Wagen.
Aus der Entfernung konnten sie einige Gewehrfeuerschüsse hören, die aus der
Richtung des Kraftwerks kamen.
Plötzlich bewegte sich eine Gestalt
in der Dunkelheit hinter dem parkenden Auto. Frau Bennett hatte den Eindruck,
als ob die Gestalt lag. Doch schnell erhob sie sich vom Boden. Es war ein großes
graues Etwas, größer als ein Mann, und es hatte furchterregende glühende rote
Augen. Frau Bennett stieß einen kleinen Schrei aus und ließ das Baby in ihren
Armen fallen. Das Kind begann zu schreien, eher beleidigt als verletzt, aber
ihre Mutter war nicht in der Lage, es aufzuheben. Sie stand da wie gelähmt und
schien durch die leuchtenden roten Kreise auf dem oberen Ende der riesigen
kopflosen Kreatur hypnotisiert zu sein. Raymond Wamsley schnappte sich die
paralysierte Frau und das Kind, und dann rannten alle zurück zum Haus, schlugen
die Tür zu und verriegelten sie. Sie vernahmen ein Geräusch, das aus dem
Hauseingang kam, und zwei rote Augen spähten durch ein Fenster. Die Frau und das
Kind wurden hysterisch, während Wamsley die Polizei rief. Mittlerweile war es 21
Uhr. Hunderte von Leuten waren weniger als zwei Kilometer entfernt und bekamen
nichts von der Angelegenheit mit, bis sie am nächsten Tag aus der Zeitung von
dem Vorfall erfuhren. Als die Polizei eintraf, war die Kreatur bereits
verschwunden.
Es gab weitere Sichtungen, und eine wahre „Mothman-Sichtungswelle“ folgte. Es gab Berichte aus den Städten Mason, Lincoln, Longan, Kanwha und Nicholas. Menschen fuhren hunderte von Kilometern zum TNT-Gebiet, in der Hoffnung, die Kreatur zu Gesicht zu bekommen.
Eine Merkwürdigkeit war, dass das Wesen besonders an menstruierenden Frauen interessiert zu sein schien.
Fünf Teenager fuhren in der Nacht
des 20. November den Cambells Creek entlang und bekamen den Schock ihres Lebens,
als in ihrem Scheinwerferlicht plötzlich eine vogelähnliche aber menschengroße
Kreatur neben einem Felsenbruchstück stehen sahen. Sie machte kehrt und rannte
in die Wälder. Den Teenagern wurde nicht geglaubt, aber sie beteuerten, dass sie
das Wesen tatsächlich gesehen hätten.
Ein älterer Geschäftsmann aus Point
Pleasant sah „Mothman“ auf seinem Vorgarten stehen. Er ging nach draußen, um zu
sehen, worum sein Hund bellte und sah diese ungefähr zwei Meter große graue
Gestalt mit den flammenden direkt auf den Schultern sitzenden Augen. Einige
Minuten lang stand er wie gelähmt da. Er merkte in dieser Zeitspanne nicht, wie
die Zeit verstrich. Plötzlich flog die Kreatur weg, und der Mann taumelte zurück
zum Haus. Er war so blass und erschüttert, dass seine Frau dachte, er habe einen
Herzanfall erlitten.
Am 24. November sahen vier Leute,
zwei Erwachsene und zwei Kinder, die durch das TNT-Gebiet fuhren, eine
gigantische fliegende Gestalt mit roten Augen.
Das Chaos wuchs, und Fernsehteams
und „Mothman-Jäger“ überschwemmten nun das Gebiet.
Der Erforscher des Unbekannten John
A. Keel beschreibt in seinem Buch Die Mothman-Prophecies (IllumiPress
Lillburn 1991 – die erste Auflage war 1975 erschienen) eine ganze Reihe
derartiger Erscheinungen.
Die „Mothman-Sichtungswelle“ ging
mit einer lokalen UFO-Sichtungswelle einher. Unzählige Menschen sahen Unbekannte
Fliegende Objekte mit roten und grünen Lichtern, aber ohne Flügel bzw.
Tragflächen. Zur gleichen Zeit wurden auch parapsychologische Erscheinungen wie
beispielsweise Poltergeistphänomene vermerkt. Bei Keel, der zu jener Zeit vor
Ort recherchierte, meldeten sich - neben dem UFO-Kontaktler Woodrow Derenberger
- sogenannte stille Kontaktler, das waren Personen, die behaupteten, mehr oder
weniger regelmäßig von Außerirdischen kontaktiert zu werden. Allerdings
offenbarten sie sich nur Keel, man kann ihnen also im Gegensatz zu vielen
„UFO-Kontaktlern“, die in den Jahren zuvor auftraten, keine Geltungssucht oder
ein Spekulieren auf finanziellen Gewinn nachsagen. Viele dieser „stillen
Kontaktler“ prophezeiten lokale oder globale Ereignisse, die zum Teil eintrafen,
zum Teil aber auch nicht. Aliens wurden gesichtet, die aber nicht dem
Erscheinungsbild entsprach, das wir in der gängigen Literatur vorfinden. Oft
ähnelten sie Orientalen oder Indianern. Sie machten seltsame Prophezeiungen und
vielen häufig nur durch Details auf. So war in einem Fall die Gegend durch einen
Dauerregen aufgeweicht, aber die Schuhe der Fremden waren sauber und ihre
Kleidung trocken.
Wer zu jener Zeit eines der
Erlebnisse durchmachen musste, wurde häufig nachfolgend von anderen Phänomenen
heimgesucht. Wer den Mothman, sah, sah später auch UFOs, wer ein UFO sah, hatte
später Kontakt mit den merkwürdigen Fremden usw.
Es gab zu verschiedenen Zeiten mysteriöse Sichtungen von „Fliegenden Menschen“ – also Menschen mit Flügeln - und riesigen Vögeln, doch Point Pleasant 1966/67 stellte den absoluten Höhepunkt dar.
„Insgesamt“, so resümiert Keel“, „sahen mehr als hundert Erwachsene diese geflügelte Unmöglichkeit in den Jahren 1966 und 1667(...)Es war grau, anscheinend federlos und so groß wie ein Mann oder noch größer, hatte eine Flügelspannweite von ungefähr zehn Fuß [etwa 3 ½ Meter, der Autor], stieg gerade auf wie ein Helikopter und schlug nicht seine Flügel, wenn es flog. Sein Gesicht war ein Rätsel. Niemand konnte es beschreiben. Die beiden roten Augen dominierten es.“
Keel
sagt bezüglich der merkwürdigen Sichtungen:
„Wir haben es in diesen Fällen mit drei Arten von
Phänomenen zu tun. Das erste ist ein geflügelter Mann, das zweite ist ein
gigantischer Vogel, so groß, dass es sich um eine biologische Unmöglichkeit
handelt, und drittens haben wir einen Monsterdämon mit roten Augen,
Fledermausflügeln und einem Körper, der dem eines Menschen ähnelt. Alle drei
stehen wahrscheinlich in Verbindung miteinander.“
Eine
psychologische Erklärung dieser Phänomene kann sicherlich nicht ausgeschlossen
werden, andererseits kann anhand der vorliegenden Informationen das Phänomen
nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Möglicherweise existieren Mothman und
seine Verwandten tatsächlich - was auch immer sie sein
mögen.
Quelle und Literaturhinweis:
Roland M. Horn:
Phantastische und rätselhafte Formen des
Lebens
Von Vampiren, Mottenmännern,
Seeschlangen, Geisterhunden, Yetis, Drachen und Chupacabras
Bohmeier
Verlag Luebeck 2002
ISBN 3-89094-348-9